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Wie Paul Ehrlich forschte und zu seinen Erkenntnissen kam
Paul Ehrlich forschte und experimentierte hauptsächlich im Labor. Bereits während seines Studiums begann er mit chemischen Färbungen von Gewebezellen und schaute sie im Mikroskop an. Er verwendete die um 1850 entwickelten Teerfarben. Eigentlich war Teer ein Abfallprodukt der Kohle-Industrie. Aber in den neu entstandenen chemischen Fabriken war es gelungen, daraus leuchtende Farben herzustellen. Sie wurden zuerst hauptsächlich in der Textil-Industrie verwendet, aber auch die Mediziner erkannten bald den Nutzen der Farben für ihre Forschungen. Durch den Einsatz von Teerfarben gelang es Paul Ehrlich bereits als Student einen neuen Zellentyp im Bindegewebe von Fröschen zu entdecken. Diesen Zellentyp nannte er Mastzelle. Er spielt bei der körpereigenen Abwehr von Krankheitserregern eine große Rolle. Damit hatte Ehrlich herausgefunden, dass man Zellen nicht nur durch ihr Aussehen, sondern auch durch ihre chemischen Eigenschaften unterscheiden kann. Diese werden durch die Methode der Färbung sichtbar.
Diese Erkenntnis war eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von wirksamen Medikamenten. Nicht selten experimentierte er bis spät abends und hinterließ dabei wüst aussehende und verfärbte Arbeitstische. Sein Fleiß brachte ihm Ansehen bei Professoren ein, aber auch Beschwerden anderer Forscher am Institut. Angeblich verschmutzte Paul Ehrlich an der Universität in Straßburg seinen Arbeitstisch so sehr, dass man ihn abhobeln musste.
An der Berliner Charité erkannte er, ebenfalls durch Farbexperimente, dass verschiedene Typen von Blutzellen existieren. Dies erleichterte die Arbeit der Ärzte. Denn bisher konnten sie viele Blutkrankheiten erst feststellen, wenn sie direkt sichtbar oder spürbar waren. Jetzt konnte man diese Krankheiten durch eine Untersuchung des Blutes früher erkennen. Sowohl während seiner Studienzeit als auch später als junger Arzt an der Berliner Charité konnte Paul Ehrlich eigenständig und frei forschen. Viele seiner Aufgaben konnte er den Studenten oder Doktoranden übertragen. Ihnen ließ er allerdings nicht die Freiheit, die er selbst als Forscher hatte. Ehrlich plante ihre wissenschaftliche Arbeit genau. Bei täglichen Besprechungen und Rundgängen durch die Forschungsabteilungen diskutierten die Mitarbeiter*innen ihre Ergebnisse mit Paul Ehrlich und erhielten neue Arbeitsanweisungen von ihm.
In Berlin war das Institut für Serumforschung und Serumprüfung, dessen Direktor Ehrlich war, in einer ehemaligen Bäckerei untergebracht. Seine Arbeit war beschränkt, man überprüfte nur das Serum gegen die Diphtherie, eine gefährliche Halskrankheit. Nach dem Umzug von Berlin nach Frankfurt 1899 erhielt das Institut neue Aufgaben. Es wurde vergrößert und umbenannt in „Institut für experimentelle Therapie“. Es wurden sogar Ställe für Pferde gebaut. Diese Pferde brauchte man, weil ihnen das Diphtheriegift eingespritzt wurde.
Ihr Körperabwehrsystem produzierte daraufhin Antikörper gegen das Gift. Aus dem Blut der Pferde wurde anschließend das Diphtherie-Serum gewonnen, mit dem Menschen geimpft wurden. Während seiner Karriere tauschte Paul Ehrlich sich mit vielen Kollegen, auch aus dem Ausland, über seine Arbeit aus. Außerdem hielt er Kontakt zu vielen wichtigen Politikern und einflussreichen Menschen. So schuf er ein Netzwerk mit vielen nützlichen Kontakten, was ihm sehr bei seiner Forschung half.
Dank der Hilfe seines Freundes Ludwig Darmstaedter und der Spenderin Franziska Speyer wurde ein weiteres besonders gut ausgestattetes Institut, das Georg-Speyer- Haus, gebaut und 1906 eingeweiht. Als dessen Direktor hatte Paul Ehrlich noch bessere Bedingungen, um seine „Experimentelle Medizin“ und die Forschungen zur Heilung von Krankheiten mit chemischen Medikamenten, der sogenannten Chemotherapie, fortzusetzen.
Wie Paul Ehrlich zu seinem Forschungsgegenstand kam
Als Kind besuchte Paul Ehrlich in den Schulferien seinen Cousin Carl Weigert, der an der Universität Breslau arbeitete. Als Pathologe beschäftigte er sich dort mit der Entstehung von Krankheiten. Er war Experte auf dem Gebiet der Chemie und vor allem der chemischen Färbung. Ihm gelang es als erstem Forscher, Bakterien durch chemische Farbstoffe sichtbar zu machen. Vielleicht waren es die Besuche bei seinem Cousin, die in Paul Ehrlich das Interesse für Chemie weckten und so seine Laufbahn als Medizinforscher anstießen. Wahrscheinlich von Carl Weigert beeinflusst, entschied sich Paul Ehrlich nach der Schule für das Studium der Medizin; möglicherweise auch deshalb, weil andere gesellschaftlich angesehene Berufe, wie zum Beispiel der des Anwalts, für junge Erwachsene aus jüdischen Familien nur schwer zugänglich waren. Sicher kann man sagen, dass er während seines Studiums früh Interesse an Biologie, Farbstoffchemie und dem Einfärben von Gewebe hatte. Er behielt es durch sein ganzes Studium bei, was man in der Auswahl seiner medizinischen Kurse und praktischen Übungen sehen kann. Darüber hinaus nahm er oft das Angebot der Professoren an, ihre Arbeitsplätze für private Studien zu nutzen. Beim Experimentieren war sein Cousin ihm wohl eine große Hilfe und sein Lehrer.
Paul Ehrlichs Neugier, sein detektivischer Geist und seine lebenslange Vorliebe für Kriminalromane unterstützten wahrscheinlich auch sein leidenschaftliches Interesse an der Forschung.
Wie Paul Ehrlich seine Erkenntnisse dokumentierte
„Viel arbeiten, wenig veröffentlichen“ lautete die Arbeitseinstellung von Paul Ehrlich. Dennoch machte er über 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen während seines Lebens. Um seine zahlreichen Ideen und Gedanken zu notieren, nutzte Paul Ehrlich alle möglichen Unterlagen, die ihm zu Verfügung standen. So berichtete seine Sekretärin Martha Marquardt, dass er auch auf Fußböden, Tischdecken, Schranktüren und Schuhsohlen geschrieben hat. Die großen Mengen von Versuchsprotokollen wurden in Heften aufgeschrieben. In Briefen an deutsche oder ausländische Kollegen erklärte er seine Arbeit. Manchmal legte er den Briefen sogar ganze Ausdrucke seiner Forschung bei und bat seine Kollegen, diese zu veröffentlichen. Darüber hinaus stellte er seine Ergebnisse auch auf wissenschaftlichen Tagungen und zahlreichen Vorträgen im In- und Ausland vor.
Zum 60. Geburtstag erschien 1914 eine Festschrift zu Ehren von Paul Ehrlich, die von seinen Lehrern, Mitarbeitern und Freunden herausgegeben worden war. In dieser Festschrift wurde seine gesamte Forschungsarbeit vorgestellt.
Wie die Erkenntnisse von Paul Ehrlich weiterentwickelt wurden und welche Bedeutung seine Forschung heute hat
Paul Ehrlich erarbeitete ein großes Wissen über chemische Prozesse, die im menschlichen Körper ablaufen. Seine Experimente und Theorien sind bis heute Grundlagen für medizinische Forschungen. Auch wenn manche Methoden mittlerweile nicht mehr angewendet werden, waren sie ein wichtiger Entwicklungsschritt für zahlreiche Erkenntnisse.
So machte zum Beispiel die Methode des Färbens vieles sichtbar, was vorher verborgen geblieben war. Durch Farben mit unterschiedlichen Eigenschaften (basisch, sauer und neutral) konnte man chemische Eigenschaften und krankhafte Veränderungen von Zellen oder Blut hervorheben und im Mikroskop sehen. Heute werden die damals verwendeten Mikroskope nicht mehr eingesetzt, auch die Färbemethode ist seltener geworden. Denn moderne, stark vergrößernde Elektronenmikroskope machen das Färben der Zellen überflüssig.
Mit der sogenannten Seitenkettentheorie hat Paul Ehrlich als erster umfassend die Bedeutung des menschlichen Immunsystems erkannt. Er hat beschrieben, dass es bei vielen Krankheiten eine zentrale Rolle spielt und für die Abwehr von krankmachenden Bakterien und Viren in einem Organismus zuständig ist. Mit seiner Theorie nahm Ehrlich an, dass sich in einem Organismus an den Seiten jeder Zelle eine Art Kette befindet. Die Krankheitserreger können sich an den Ketten der Zellen im Organismus anbinden wie „ Schlüssel und Schloss“. Diese Anbindung macht die gesunden Zellen unbrauchbar. Nur eine bestimmte Zellenart im Organismus, nämlich die sogenannten B-Zellen, sind als einzige in der Lage, Antikörper, also Abwehrstoffe gegen eine Krankheit, zu produzieren - als Reaktion auf die „Ankettung“ der Krankheitserreger.
Die Seitenkettentheorie wurde später mit der Theorie des Wissenschaftlers Niels Kaj Jerne verknüpft und weiter entwickelt. Doch die Annahme, dass schädliche Fremdkörper Zellen im Körper angreifen, indem sie sich an diese „anketten“, ist im Wesentlichen bis heute gültig. Aufgrund dieses Wissens, wie ein Organismus funktioniert und Krankheiten entstehen, konnte sich Paul Ehrlich auch um deren Heilung kümmern.
1910 brachte er in Zusammenarbeit mit den Farbwerken Hoechst, einer Chemiefabrik in der Nähe von Frankfurt, das Medikament Salvarsan auf dem Markt. Es bestand aus einem chemischen Wirkstoff, der sich nur an den Krankheitserreger der Infektionskrankheit Syphilis „ankettete“ und diesen „vergiftete“. Mit Salvarsan begann die Chemotherapie. Bis in die Gegenwart folgten viele Medikamente, welche nach demselben Prinzip funktionieren: der gezielten Vernichtung der Krankheitserreger im menschlichen Körper durch den Einsatz von chemischen Mitteln. Chemotherapie wird heute nicht nur in der Behandlung von Infektionen, sondern auch bei Krebserkrankungen eingesetzt.
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